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Objekte über Objekte

Um das Deutsche Bergbau-Museum Bochum (DBM) zu einer digitalen Forschungsdateninfrastruktur auszubauen, wurden im Montanhistorischen Dokumentationszentrum (montan.dok) in den vergangenen Jahren Abertausende von Museumsobjekten digitalisiert, in der Sammlungsdatenbank dokumentiert und in Portalen wie der Deutschen Digitalen Bibliothek und Europeana veröffentlicht. Ein genauerer Blick auf diese Aktivitäten zeigt, dass klassische Museumsobjekte nicht mehr die einzigen Objekte sind, die hierbei eine Rolle spielen.

Worauf es beim Aufbau einer digitalen Forschungsdateninfrastruktur ankommt, wurde bereits in „<title>Ausgezeichnete Objekte</title>“ ausführlich erläutert und soll hier noch einmal kurz zusammengefasst werden. Forschungsdaten sollen über offene Schnittstellen für die Forschung zugänglich und nutzbar gemacht werden. Besonderes Augenmerk ist dabei auf die Computerlesbarkeit zu legen, damit die Daten z.B. im Internet leicht auffindbar sind oder mit entsprechender Software analysiert werden können. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Interoperabilität, d.h. die Sicherstellung der Austauschbarkeit von Daten zwischen verschiedenen Systemen und Institutionen. Die so genannten FAIR-Prinzipien dienen hierbei als Leitlinie.

 

All dies ist eng mit dem Begriff „Datenqualität“ verbunden. Um die Qualität der sammlungsbezogenen Forschungsdaten zu sichern, wurden im Projekt „Digitale Infrastrukturen im Deutschen Bergbau-Museum Bochum und virtuelle Zugänglichkeit zum Bergbauerbe“ nachhaltige Prozesse der Datenkuratierung entwickelt, die die klassische Dokumentationsarbeit begleiten. Das im Rahmen der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) gegründete Konsortium NFDI4Memory, das eine Vielzahl von Institutionen und Forschenden aus den historischen Disziplinen vereint, widmet dem Thema Datenqualität sogar eine eigene Task Area („Data Quality“). Zentrales Ziel ist es, Praktiken zur Sicherung der Datenqualität in der gesamten Community zu etablieren.

 

Das montan.dok ist seit 2024 offizieller Participant des Konsortiums NFDI4Memory und engagiert sich insbesondere in der beschriebenen Task Area „Data Quality“. Im Rahmen des vom „4Memory Incubator Funds“ geförderten Projekts „Datenqualität in Archiven und Museen. Entwicklung von Analyse-Tools als Python Package“ wurde vom montan.dok der NFDInspector entwickelt. Dabei handelt es sich um in der Programmiersprache Python programmierte Tools, mit denen formale Qualitätsmängel in standardisiert vorliegenden Datensammlungen aus Museen und Archiven einfach identifiziert und entsprechende Fehlerberichte generiert werden können. Damit sollen Gedächtnis- und Forschungseinrichtungen dabei unterstützt werden, Maßnahmen zur systematischen Sicherung der Datenqualität in ihren schnell wachsenden Datenbeständen zu ergreifen. Um die langfristige Nachnutzbarkeit des NFDInspectors zu gewährleisten, wurde dieser als Open Source und unter einer freien Lizenz auf der Plattform GitHub und im Python Package Index (PyPI) veröffentlicht.

 

Der NFDInspector wurde unter Berücksichtigung eines bestimmten Paradigmas entwickelt, nämlich der objektorientierten Programmierung. Dieses Paradigma basiert auf dem Konzept der „Objekte“. Mit „Objekt“ ist hier nicht ein Objekt aus dem Bereich Museum gemeint, sondern ein Objekt aus dem Bereich Informatik/Softwareentwicklung. Ein Objekt ist in diesem Zusammenhang eine Entität, die einen Zustand (Eigenschaften und Verbindungen zu anderen Objekten), ein Verhalten (Methoden) und eine Identität in sich vereint. Es kann sowohl etwas Reales – z.B. auch ein Museumsobjekt in einer Sammlungsverwaltungssoftware – als auch etwas Abstraktes repräsentieren. In einer Programmiersprache wie Python ist zudem das Konzept der „Klasse“ zentral. Klassen sind gewissermaßen Baupläne, aus denen Objekte als Exemplare dieser Klasse erzeugt werden können.

 

Zur Veranschaulichung soll dies hier konkret am Beispiel des NFDInspectors erläutert werden. Dessen Entwicklung bedeutete im Prinzip die Programmierung verschiedener Klassen mit bestimmten Eigenschaften und Methoden für verschiedene Anwendungszwecke. Beispielsweise dient die Klasse „LIDOInspector“ als Bauplan für ein Objekt (Informatik), mit dessen Hilfe Datensätze von Objekten (Museum), die im Metadatenstandard LIDO vorliegen, untersucht werden können. Er fasst verschiedene Eigenschaften (z.B. Konfiguration) und Methoden (z.B. Durchführung einer Untersuchung) zusammen. Diese Klasse bzw. dieser Bauplan kann nun von verschiedenen Anwender:innen des NFDInspectors vielfach und auf unterschiedliche Art und Weise verwendet werden. Jedes auf Basis dieser Klasse erzeugte Objekt hat eine eigene Identität, der Zustand (z.B. die Konfiguration) kann an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden, und die vordefinierten Methoden stehen zur Verfügung. Ein typischer Programmablauf sieht beispielsweise wie folgt aus: Zuerst wird ein Objekt basierend auf der Klasse LIDOInspector erzeugt und anschließend werden eine Konfigurationsdatei sowie die zu untersuchenden Daten selbst eingelesen. Auf dieser Grundlage wird dann die eigentliche Untersuchung durchgeführt. Abschließend wird eine Datei mit dem Fehlerbericht erzeugt (siehe Abbildung).

 

Wer jetzt den Überblick verloren hat, um welche Art von Objekt es sich jeweils handelt, ist sicher nicht allein. Bei näherer Betrachtung gilt diese Problematik auch für diverse andere Begriffe, die in diesem Text verwendet werden. Die Bedeutung von „Zustand“, „Methode“ oder auch „Klasse“ erschließt sich erst aus dem jeweiligen fachlichen Kontext. Die fortschreitende digitale Transformation in den Museen erfordert jedoch eine zunehmende Interdisziplinarität, in der diese vermeintlich gleichen Begriffe dann aufeinandertreffen können. So könnte im oben genannten Beispiel einer objektorientiert programmierten Sammlungsverwaltungssoftware aus der Zustandsänderung eines Objektes (Museum) auch eine Zustandsänderung eines Objektes (Informatik) resultieren.

 

Für den Erfolg der digitalen Transformation im DBM ist es daher wichtig, auch eine gemeinsame Sprache zu finden. Strategisch sinnvolle Entscheidungen können nur getroffen werden, wenn in der Kommunikation darüber keine Missverständnisse entstehen. Im Rahmen des strategischen Sondertatbestands „GermuT - Aufbau und Betrieb einer digitalen Forschungsdateninfrastruktur für datenbasierte Georessourcenforschung und museumsbezogenen Transfer“ wird im DBM ab 2025 ein abteilungsübergreifendes Kompetenzteam „Digitale Forschung und Transfer“ seine Arbeit aufnehmen. In diesem Team werden Personen zusammengeführt, die sowohl in musealen Themenfeldern als auch in der Informatik bewandert sind und somit über eine gute Kommunikationsbasis verfügen, um die digitale Transformation im Haus voranzutreiben.

 

01. Februar 2025 (Andreas Ketelaer, M. Sc.)

 


Literatur

von Hagel, Frank: Vernetzt im Netz. Wohin mit den „eigenen“ Objektdaten?, in: Farrenkopf, Michael/Siemer, Stefan (Hrsg.): Perspektiven des Bergbauerbes im Museum. Vernetzung, Digitalisierung, Forschung, Berlin/Boston 2020 (= Veröffentlichungen aus dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum, Nr. 235; = Schriften des Montanhistorischen Dokumentationszentrums, Nr. 37), S. 213-220.

 

Kesper, Arno u.a.: Catalogue of Quality Problems in Data, Data Models and Data Transformations. Requirements specification for the quality management, quality analysis techniques, improvement measures as well as quality management processes of data sets for objects of the material culture. Unter: https://zenodo.org/record/3955500 (Eingesehen: 10.01.2025).

 

Ketelaer, Andreas/Przigoda, Stefan: Datenqualität in Archiven und Museen, in: montan.dok-news 10, 2024, Heft 1, S. 4. Unter: https://www.bergbaumuseum.de/fileadmin/news/2024/montandok-news-01-2024_final_WEB.pdf (Eingesehen: 10.01.2025).

 

Ketelaer, Andreas/Przigoda, Stefan/Schäpers, Maria: Digital History & Citizen Science, in: montan.dok-news 10, 2024, Heft 2, S. 3. Unter: https://www.bergbaumuseum.de/fileadmin/news/2024/montandok-news-02-2024_final_WEB_2.pdf (Eingesehen: 10.01.2025).

 

Ketelaer, Andreas: NFDInspector documentation. Unter: https://montan-code.github.io/nfdinspector/index.html (Eingesehen: 10.01.2025).

 

Objekt (Programmierung), in: Wikipedia. Unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Objekt_(Programmierung) (Eingesehen: 10.01.2025).